DLUX. Kleider machen Leute

Erschienen im DLUX Steigenberger-Magazin 2.2010

Die einen nennen es Stil, die anderen Geschmack – jenes Händchen, mit dem der Mann von Welt seine Garderobe kombiniert. Sicher ist: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Wie man auf Anhieb als echter Gentleman überzeugt

VIELEN GILT ER BIS HEUTE ALS INBEGRIFF DES GENTLEMAN: Fred Astaire. Im Umgang galant, dabei stets geschmackvoll gekleidet, tanzte er mit traumwandlerischer Sicherheit über das gesellschaftliche Parkett seiner Zeit. Astaire wusste, dass es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt.

Grund genug, dem äußeren Erscheinungsbild die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Denn: „Kleider machen Leute, besonders in der Geschäftswelt“, sagt Matthias Aull. Der Prominentenschneider muss es wissen: Seit 18 Jahren zählt er zu den ersten Adressen, wenn es um maßgeschneiderte Garderoben für den gepflegten Herrn geht. Durchschnittlich 80.000 Kilometer legt Aull pro Jahr zurück, um bei Topmanagern zwischen Flensburg und Garmisch persönlich Hand anzulegen. Das Ergebnis überzeugt selbst kritische Geister. „Nach individuellem Maß gefertigte Anzüge und Hemden besitzen einen unvergleichlichen Tragekomfort. Nichts spannt, nichts drückt, nichts ist zu kurz oder zu lang. In Maßkleidung bewegt sich der Gentleman in jeder Situation mit lässiger Eleganz.“ Ein gut geschnittener Anzug in einer mittleren Tuchqualität ist daher einem schlecht geschnittenen in einer besseren Stoff-qualität immer vorzuziehen.Als guten Schnitt bezeichnet Aull das Grundmuster, das allen Moden und Trends trotzend seit den 1930er-Jahren immer wieder verwendet wird: klassisch nach englischem Vorbild, aus bestmöglichem Tuch, die Anzugjacke lang und auf den Körper geschnitten, mit flachen, allenfalls leicht gepolsterten Schultern.

Gregor Thissen, Geschäftsführer des renommierten Tuchspezialisten Scabal, sieht im gediegenen britischen Look sogar den Sommertrend 2010: „Britischer Stil ist zeitlos, stilvoll und formell. Sowohl im Schnitt als auch in den Motiven.“ Dabei setzt Scabal auf Maßarbeit mit persönlicher Note: So wird ein formeller Anzug durch die Stoffauswahl oder Details wie Knöpfe und die Farbe des Innenfutters zum Ausdrucksmittel persönlicher Individualität. „Bei uns können Sie aus mehr als 5.000 Tüchern dasjenige wählen, das zu Ihrem Typ, zu Anlass,Tages- oder Jahreszeit am besten passt“, so Thissen. Wem die Vielfalt an Seiden-, Kaschmir-, Baumwoll- und Leinentüchern zu verwirrend scheint, folgt dem Rat des bekannten Stilexperten Bernhard Roetzel: „Reine Schurwolle ist und bleibt der beste Anzugstoff – auch im Sommer. Kein anderes natürliches Material fällt derart elegant und ist dabei so unempfindlich gegen Knitter.“

DIE KUNST IST, DIE PERSÖNLICHKEIT HERVORZUHEBEN

Seinen adäquaten Partner findet der Anzug im Maßhemd aus kostbarem Vollzwirn. Der Herr von Welt wählt Spitzenqualitäten aus ägyptischer Giza-45-Baumwolle. Ihre Fasern sind so fein, dass 1.000 Meter Garn gerade zwei Gramm auf die Waage bringen. Für solch erlesene Oberbekleidung muss der Grandseigneur nicht einmal nach London, Neapel oder Paris reisen. „Ein großer Teil meiner Hemden wird seit einigen Jahren in der Nähe von Danzig genäht, in der Maßhemdenabteilung von Emanuel Berg“, verrät Roetzel. „Achten Sie vor allem auf den exakten Musterverlauf beim Übergang von Schulterteil zum Ärmel sowie auf die individuell angepasste, richtige Ärmellänge.“ Da die meisten Menschen unterschiedlich lange Arme haben, zeigt sich hier eine der Qualitäten des Maßhemds.
Das wichtigste Kleidungsstück des kultivierten Mannes aber ist der Schuh.Als rahmengenähter Maßschuh avanciert er zum Synonym des guten Geschmacks, zur einzigartigen Visitenkarte seines Trägers. Eine ideale Verbindung aus Eleganz und Ergonomie. Kay Gundlack zählt zur handverlesenen Schar derer, die es in dieser alten Handwerkskunst zu einer bewundernswerten Perfektion gebracht haben. Elegante und bequeme Schuhe zu „bauen“, ist für ihn nicht nur Berufung, sondern gelebte Leidenschaft – und die sieht man jedem seiner Unikate an. Dabei erfüllt Gundlack auch ausgefallene Kundenwünsche. Ein weißer Sommerschuh zum schwarzen Anzug? Kein Problem. Ein Gentleman beherrscht die Kunst geschmackvoller Selbstinszenierung, pointiert gesetzte Akzente eingeschlossen. Selbstbewusst wählt er seine Kleidung so, dass sie die eigene Persönlichkeit ergänzt – und nicht etwa ersetzt.

Die Individualität seiner Kunden herauszuarbeiten, ist deshalb das erklärte Ziel von Schuhmachermeister Gundlack. Mit normalen Business-Schuhen haben seine Schuh-Preziosen wenig gemeinsam. Auf Maß gefertigte Schuhe zieht der Mann von Welt nicht einfach an. Sie schmiegen sich vielmehr wie eine zweite Haut an seinen Fuß und ermöglichen völlig neue, unbeschwerte Geherlebnisse. Bleibt die Frage, welche Farbe beim Schuhwerk „gentlemanlike“ ist.Waren braune Schuhe in der Geschäftswelt lange Zeit verpönt, gelten sie dank des immer stärkeren Einfluss italienischer Mode längst nicht mehr als Stilbruch. Politikern und Bankern indes empfiehlt Kay Gundlack einen schwarzen Schnürschuh zum kostbaren Zwirn. „Der glatte Oxford, mit oder ohne Kappe, aus bestem Leder gearbeitet, ist und bleibt der Schuhklassiker schlechthin. Darin hinterlassen Sie bei jedem Anlass einen guten Eindruck“, sagt er. Ein gerade in Geschäftsverhandlungen nicht zu unterschätzen- der Vorteil. Studien belegen, dass Kommunikation zu 55 Prozent aus Körpersprache und nur zu 7 Prozent aus Inhalten besteht. Erfahrene Wirtschaftskapitäne wissen um die Bedeutung eines in jeder Hinsicht souveränen Auftritts. Neben Kompetenz und Cha- risma signalisieren sie auch bei der Kleiderwahl Selbstsicherheit bis ins Detail.

EIN GENTLEMAN FÄLLT NICHT AUF – ER GEFÄLLT

Wer bei Anzug, Hemd und Schuhen alle stilistischen Klippen sicher umschifft hat, sollte bei der Auswahl der Accessoires ebenfalls größte Sorgfalt walten lassen.Portemonnaie,Aktentasche,Krawatte oder Einstecktuch: „Gerade diese scheinbar nebensächlichen Dinge verraten viel über ihren Besitzer“, erklärt Stilpapst Bernhard Roetzel. Beispiel Gürtel: Kenner lassen ihren Leibriemen seit über 40 Jahren in der „Kreis Ledermanufaktur“ fertigen. Dort hat Firmenchef Bernd Kreis die Anfertigung des schmalen Helfers am Hosenbund zur hohen Kunst erhoben. Nirgendwo sonst kann der Connaisseur zwischen so vielen Ledern, Farben und Verarbeitungsarten wählen.

Für Lederspezialist Kreis ist die Beratung seiner Kunden Chef-sache: „Schuhe und Gürtel sollten von ihrem Ausdruck grundsätzlich zum Charakter der Garderobe passen und beim eleganten Anzug im Helligkeitswert nicht extrem kontrastieren.“ Auffallende Farben und Leder sind bei der Business-Garderobe genauso fehl am Platz. „Wer auf Nummer sicher gehen will, wählt Schuhe und Gürtel in identischer Farbe und Oberfläche. Ich persönlich finde es spannender, wenn die Gürtelfarbe zwar derselben Farbfamilie angehört, aber im Farbton und in der Oberflächenstruktur ab- weicht“, erklärt Bernd Kreis. Mögen die persönlichen Vorlieben in der Garderobenwahl so unterschiedlich sein wie die einzelnen Charaktere, in einem Punkt sind sich doch alle Gentlemen einig: Mode ist immer vergänglich, Stil niemals.

Literatur

Der Gentleman. Von Bernhard Roetzel.
Das Buch liefert das komplette Basiswissen über klassische Herrenmode, enthält wertvolle Informationen über Einkaufs- quellen, vermittelt Kompetenz für den souveränen Umgang mit Mode und macht Lust auf stilvolle Kleidung und Accessoires. h.f.ullstein Verlag, 360 Seiten, 19,95 Euro